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Erfolgreich mit Produktkonfiguration

KONSTRUKTION

Erfolgreich mit Produktkonfiguration – Gibt es eigentlich eine Alternative?

Ein Interview mit Dr.-Ing. Sören Lechner, Geschäftsführer des ife-Partners DLP Engineers GmbH

DLP Engineers ist ein unabhängiger Beratungs- und Integrationspartner, der sich neben den Themen Variantenmanagement, PDM/PLM u.a. auf das Thema Prozessoptimierung und damit auf die Konzeption und Realisierung von Produktkonfigurationslösungen u.a. für den Apparate-, Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau spezialisiert hat.

Frage: Warum tun sich einige Unternehmen mit dem Thema Produktkonfiguration immer noch schwer?

Dr. Lechner: Das Thema Produktkonfiguration ist am Anfang sicherlich komplex und unübersichtlich. Es erfordert idealerweise einen interdisziplinären Ansatz über alle Abteilungen hinweg und die unbedingte Unterstützung der Geschäftsführung. Es reißt sich niemand um ein solches Projekt, egal ob Vertrieb, Konstruktion oder IT. Und solange es auch so läuft, muss man ja nichts verändern. Das Beharrungsvermögen der Unternehmen ist oft sehr groß.

Ein Grund ist z.B. die Trennung zwischen kaufmännischer und technischer Geschäftsführung. Wer ist verantwortlich für das Konfigurationsthema? Wer ist der Projektsponsor? Der Vertrieb oder die Konstruktion? Die IT kann es nicht alleine lösen. Alleingänge der Konstruktion führen erfahrungsgemäß nicht immer zum Erfolg und auch der Vertrieb kann nicht ohne die Konstruktion, gerade wenn eine durchgängige Lösung angestrebt wird.

Ein weiterer Grund ist die Frage nach dem „womit bzw. worin wird konfiguriert?“ Ist die Varianz des Produktbaukastens zu einem Großteil geschlossen, sollte die Angebots- und Stücklistenkonfiguration idealerweise im ERP-System abgebildet werden. Im Falle eines Offline-Betriebs ist der Einsatz eines separaten Konfigurators zu verfolgen. Ist der ETO-Anteil z.B. im Apparatebau so hoch, dass die Teilestruktur bzw. die Auftragsstückliste bis auf die Norm- und Kaufteile aus dem 3D-CAD-Modell abgeleitet wird, bietet sich eher eine CAD-Konfiguration mit einer sinnvollen ERP-Kopplung an. In diesem Fall stellt sich die Frage, wo erfolgt die Auslegung, Berechnung, Kalkulation und die eigentliche Angebots- und Stücklistenerstellung?

Diese Beispiele zeigen, dass man die Projektverantwortlichkeit nicht von vorne herein dem Vertrieb, der Konstruktion oder der IT geben kann und sollte. Erst wenn die Ausrichtung und die Konfigurations-Roadmap für alle Beteiligten klar ist, sollte das Projektteam entsprechend aufgestellt und die Verantwortlichkeiten innerhalb der Geschäftsführung festgelegt werden. Von daher tun sich manche Unternehmen immer noch schwer, das Thema Produktkonfiguration gezielt anzugehen und konsequent umzusetzen.

Frage: Warum ist das Thema so komplex und unübersichtlich?

Dr. Lechner: Vor der Konfiguration müssen die Produkte eigentlich erst aufgeräumt werden, d.h. Themen wie Modularisierung und flexible Standardisierung sollten erledigt sein. Externe und interne Produktvarianz sollten anhand eines kundenauftragsneutralen Produktbaukastens beschrieben sein. Das gilt sowohl für die CAD-, die Angebots- als auch für die ERP-Welt. Auch die abgestimmte Produktlogik und das abgestimmte Beziehungswissen in den Köpfen des Vertriebs, des Produktmanagements (sofern vorhanden), der Projektierung und der Konstruktion muss im Rahmen von gemeinsamen Workshops erfragt, aufgeschrieben und definiert werden.

Wörtlich sagte einmal ein technischer Leiter: „Frage ich meine sieben Vertriebsmitarbeiter nach einer Vertriebscheckliste, bekomme ich sieben verschiedene Versionen?“ Wo fange ich jetzt an und wie gehe ich vor?“ Aber dafür gibt es ja uns.

Frage: Fehlt es an der Methodik und der Systematik?

Dr. Lechner: Die Unternehmen durchlaufen diesen Veränderungsprozess oft zum ersten Mal und sie sind sich verständlicherweise unsicher. Vertrieb und Konstruktion durchlaufen oft einen Paradigmenwechsel. Von „denken so ähnlich wie damals und kopieren alter Vorlagen“ hin zu „Konfiguration neutraler Masterstrukturen“. Viele Entscheider können sich gar vorstellen, dass das hinterher funktioniert. Im Rahmen unserer Projekte bringen wir Methodik, Systematik und Praxiserfahrung mit und führen das Projektteam durch den undurchsichtigen Wald hindurch. Dabei sprechen wir die Sprache des Vertriebs, der Konstruktion, der IT und der Produktion und wir dürfen alles fragen – und auch hinterfragen.

Frage: Gibt es denn eine Alternative zur Produktkonfiguration? Müssen sich die Unternehmen verändern oder können so weiterarbeiten wie bisher?

Dr. Lechner: Da erinnere ich mich gerne an einen Besuch bei einem namhaften Industriekesselbauer im Süddeutschen. Wir waren dort anlässlich eines Referenzbesuches gemeinsam mit unserem Kunden, einem Maschinen- und Anlagenbauer. Unser Kunde war mit seinem technischen Vorstand und zwei Mitarbeitern gekommen, auf der Seite des Kesselbauers waren der Projektleiter und ein Mitarbeiter aus der IT anwesend. In einer eindrucksvollen Präsentation lief der komplette Angebots- und Auftragsabwicklungsprozess automatisiert beispielhaft vor unseren Augen ab. Angefangen bei der Eingabe der Eingangs- und Prozessparameter im CPQ-System, der Auslegung und Berechnung, der Kalkulation, der Angebotserstellung, der Ansteuerung des 3D-CAD-Systems, der automatisierten Generierung der 3D-CAD-Modelle bzw. der varianten Teile und Baugruppen, der entsprechenden Teile- und Dokumentstrukturen, der auftragsspezifischen Schweiß- und Laserdaten für die Produktion, der Übergabe der bewerteten Konfigurationsobjekte an das ERP-System bis hin zur Konfiguration der Auftragsstückliste und der Fertigungsaufträge incl. der Arbeitspläne mit den auftragsspezifischen Rüst- und Bearbeitungszeiten.

Nach dieser Live-Präsentation fragte der technische Vorstand unseres Kunden den Projektleiter des Kesselbauers, wie viele Konstrukteure das Unternehmen hätte. Der Projektleiter antwortete daraufhin: „Früher hatten wir 20 Konstrukteure in der Konstruktion. Heute unterstützen 10 davon den technischen Vertrieb und die anderen 10 kümmern sich um Produktpflege, die Aktualisierung der Produktlogik und des Beziehungswissens sowie die Aktualisierung des CAD-, des CPQ- und des ERP-Systems.“ Der entscheidende Satz aber kam zum Schluss: „Und wenn wir das alles nicht gemacht hätten, könnten wir heute zum einen nicht diese Anzahl an Kesseln produzieren. Zum anderen wären wir aber wahrscheinlich auch nicht mehr am Markt vertreten.“

Dieses Beispiel zeigt mir, wie wichtig es ist, IT-Systeme intelligent einzusetzen und zu nutzen und Prozesse, soweit es geht, zu automatisieren und dadurch eine hohe Datenqualität in den Folgeprozessen zu generieren. Dafür ist Deutschland einfach zu teuer, als dass wir noch Prozesse fahren, die teilweise Jahrzehnte nicht hinterfragt, verändert und auf die Möglichkeiten heutiger IT-Systeme angepasst wurden.

Frage: Was empfehlen Sie den Unternehmen, die diese Wegstrecke noch vor sich haben?

Dr. Lechner: Nach einer kurzen Bestandsaufnahme und Interviews mit einigen Schlüsselpersonen bekommen wir relativ schnell einen guten Überblick von dem jeweiligen Markt incl. der Supply Chain, der Produkte, der Prozesse und der eingesetzten IT-Systeme. Je nach Zielsetzung und Aufgabenstellung der Geschäftsführung folgt i.d.R. eine pragmatische Nutzenbetrachtung, d.h. wo bringt Konfiguration einen schnellen und nennenswerten Nutzen und in welchem Verhältnis steht dazu der Aufwand für die Umsetzung?

Einige unserer Kunden beginnen mit der Produktkonfiguration vorne beim Kunden, bei seinem Endprodukt (Bsp. Flasche, Brezel), d.h. der externen Varianz und gehen den Weg in Richtung CPQ- bzw. Angebotskonfiguration. Andere beginnen in der Konstruktion, räumen dort produktweise auf, führen alleine oder gemeinsam mit uns eine CAD-Automatisierung oder sogar eine CAD-Konfiguration ein und gehen dann weiter entweder in Richtung Vertrieb (Funktionsstruktur, Vertriebsartikel) und/oder in Richtung ERP Vertriebsauftrag, Auftragsstückliste und Produktion.

In jedem Fall ist es wichtig, wie ein IT-Architekt zunächst eine Übersicht und ein Gesamtbild des Unternehmens zu erstellen. Wir nennen es IT-System- oder Funktionslandkarte. D.h. welche Systeme sind gesetzt, welche vakant, wie erfolgt die langfristige Integration der IT-Systeme untereinander, wo und wie werden welche Prozesse und Produkte auf den Systemen abgebildet, in welchen Schritten erfolgt die Umsetzung und Realisierung bzw. die Produktivschaltung der IT-Systeme und der Kopplungen untereinander. Ergänzend dazu sind u.a. der Auftragsgewinnungs- und der Auftragserfüllungsprozess und die Produktstrukturen incl. der erforderlichen Produktdaten im Detail zu beschreiben. D.h. Produktportfolio, Baukästen, Schalenmodell (Standard, Optionen, Kundenwunsch), Masterstrukturen, Logik/Klassifikation etc.

Frage: Wie lässt sich aus Ihrer Sicht der Nutzen einer Produktkonfiguration für das Unternehmen beschreiben?

Dr. Lechner: Als ein großer Nutzenblock sind u.a. die Aufwände für Anpassungsarbeiten in der Konstruktion zu nennen. Diese Aufwände lassen sich teilweise um bis zu 60 oder teilweise sogar 90% reduzieren. Dabei beziehen sich die Einsparungen sowohl auf die Anpassungen der CAD-Modelle, die Erstellung von Maß- oder Fertigungszeichnungen oder die Stücklistenerstellung bzw. -anpassung. Der Vertrieb kann mehr Angebote mit weniger Aufwand wesentlich schneller erstellen. Der Kunde bekommt sowohl sein Angebot als auch erste Angebotsdokumente wesentlich schneller. Angebote, Zeichnungen oder Stücklisten sind immer richtig, da sie Ergebnis einer Konfiguration sind. Das Kopieren abgewandelter alter Aufträge birgt immer die Gefahr, dass sich Übertragungsfehler einschleichen oder die Kopiervorlage veraltete oder kundenspezifische Features und Informationen enthält, die bei diesem Auftrag gar nicht relevant sind. Dieses hat unmittelbare Auswirkungen auf die Deckungsbeiträge und damit auf das Unternehmensergebnis. Aufgrund der Datendurchgängigkeit zwischen Vertrieb/CPQ, Konstruktion/CAD und ERP/Logistik/Produktion werden die Auftragsdurchlaufzeiten kürzer. Liegezeiten und Lagerbestände können gezielt reduziert werden.

Frage: Unternehmen produzieren zunehmend rund um die Welt mit verteilten Lieferantenstrukturen. Wirkt sich die Produktkonfiguration auch positiv auf die Supply Chain aus?

Dr. Lechner: Da fällt mir wieder ein Beispiel aus der Praxis ein. Ein Maschinen- und Anlagenbauer beklagt sich darüber, dass sein Wettbewerber mehr Aufträge annehmen kann, als er selbst durch seine eigene Produktion bekommt. D.h. der Wettbewerber ist flexibler, kann leichter extern vergeben und kann je nach Auftragssituation atmen. Seine Produktstrukturen sind vergabegerecht aufgebaut, d.h. die Struktur der CAD-Modelle, der Stücklisten im ERP-System und darüber auch die vergaberelevanten Komponenten und Baugruppen. Diese sind wiederum über den strategischen Einkauf im Vorfeld mit den Lieferanten genau abgestimmt, was z.B. Fertigungsverfahren, Fertigungsqualitäten, Dokumentation oder Durchlaufzeiten anbelangt. Dieser Effekt stellt sich allerdings nur ein, wenn Mechanik- und Elektro-Konstruktion, Einkauf/Materialwirtschaft und Fertigung/Montage an einem Tisch sitzen und abgestimmt arbeiten. Wenn jede Abteilung nur an sich denkt und nicht das große Ganze und damit das Unternehmensoptimum im Auge hat, dann wird sich an dieser schmerzlichen Situation nichts ändern.

Und da sind wir wieder bei Produktkonfiguration. In diesem Beispiel wird vorne im Vertrieb zwar mit einem „Angebotstool“ mit Preislisten und Artikeltexten gearbeitet – allerdings ohne Produktlogik, ohne Klassifikation und damit ohne eine echte Angebotskonfiguration. Es existiert keine Logik zwischen Angebots-/Funktionsstruktur im Vertrieb und der Baustruktur/Materialstämme/ Stücklisten im ERP-System. Damit erfolgt auch die Umsetzung in einen Auftrag bzw. die Erstellung der Auftragsstücklisten händisch und mitarbeiterindividuell.

Genau in solchen Situationen können wir gezielt von außen helfen. Die internen Strukturen und Abläufe sind oft so eingefahren, dass das Unternehmen kaum selbst ohne externe Unterstützung aus dieser Situation herauskommt. Das Management versucht zwar, intern Projektleiter zu bestimmen und die Verantwortung in die Fachabteilungen zu legen. Aber welcher Mitarbeiter stellt schon gerne Arbeits- und Sichtweisen seiner Kollegen in Frage. Schließlich will er ja auch noch später gut mit ihr oder ihm zusammenarbeiten. In solchen Situationen kann der Externe völlig unbelastet und neutral fragen, Brücken zwischen den Abteilungen bauen, Lösungswege empfehlen oder aus vergleichbaren Situationen berichten.

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